Corona-Tagebuch, Tag 13: Sind wir nur noch Fußabtreter?!

Liebes Tagebuch,
 

ich bin schon wieder so wütend… Ich habe dir ja schon von dieser bekloppten „Arbeitsquarantäne“ erzählt, also dass wir Pflegekräfte, wenn wir Kontaktperson eines oder einer Infizierten waren, im Privatleben eine Quarantäne halten, aber mit FFP-Maske weiterarbeiten sollen.

 

Nun hat mir gestern eine Kollegin erzählt, sie dürfe nicht mit uns zusammen Pause machen, da sie sich in einer Arbeitsquarantäne befindet und vor jedem Dienstantritt erst zum Schnelltest muss, bei Negativergebnis darf sie arbeiten.

 

Sie hat mir auch berichtet, wie die Pflegedienstleitung mit ihr umgegangen ist: Nachdem sie ihren ersten Arbeitstag in dieser Form der Arbeitsquarantäne gearbeitet hatte, wurde sie zu den Vorgesetzten bestellt. Sie musste sich einen Anpfiff anhören, was ihr einfiele mit den Kolleg*innen zusammen in einem Raum Pause zu machen. Schließlich sei sie ja in Quarantäne und dürfe ihre Maske nicht abnehmen. Und damit nicht genug! Sie rechtfertigte sich und erklärte, dass sie mit den Kolleg*innen auf maximalen Abstand im großen Pausenraum achteten. Daraufhin holten die Vorgesetzten einen Zollstock aus dem Schrank und gingen mit meiner Kollegin zum Personalaufenthaltsraum. Sie sollte ihnen zeigen, wo sie saß und wo die Kollegen saßen, dann fingen die Anzugträger an, die Abstände auszumessen. Das ist doch unglaublich!! Dafür haben die Zeit?!

 

Seit Tagen gibt es Probleme mit dem Computersystem, so dass Kolleg*innen nicht auf die Patientenakte zugreifen können und damit teilweise „blind“ arbeiten müssen. Und die Zuständigen haben nichts Besseres zu tun als diese gutmütige Kollegin, die freiwillig (!) trotz Kontakt weiterarbeitet, damit es nicht zu weiteren unbesetzten Diensten kommt, vorzuführen und wie auf der Anklagebank in einem Sechs-Augen-Gespräch zu schikanieren!? Armselig und peinlich! Etwas anderes fällt mir da nicht mehr ein!

 

Spätestens an dieser Stelle würde ich die Bereitschaft eine Arbeitsquarantäne zu machen, sofort beenden und den lieben Vorgesetzten meine Krankmeldung auf den Tisch knallen, damit sie keine Angst mehr haben müssten, dass ich irgendwem zu nahe käme!


 

Deine Agnes

 

Es gibt eine Vorschrift (Regel 112-190) der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) zum Thema Arbeitsschutz, die besagt, dass beim Tragen von Atemschutzhalbmasken ohne Ausatemventil nach maximal 75 Minuten Tragezeit eine 30-minütige Pause einzuhalten ist, um gesundheitlichen Risiken vorzubeugen! Diese vorgeschriebene Erholungszeit kann das Pflegepersonal so gut wie nie einhalten - erst recht nicht, wenn es aufgrund einer Arbeitsquarantäne dem oder der Mitarbeiter*in untersagt wird, die Maske abzunehmen.

 

 

Agnes ist Pflegerin in einem Hamburger Krankenhaus. Sie wurde von uns als Kunstfigur erschaffen, um die Erlebnisse vieler Kolleg*innen während der Corona-Pandemie anonym darzustellen. In den folgenden Wochen werden wir in weiteren Einträgen die Erfahrungen aus dem Pflege-Alltag im Krankenhaus sichtbar machen. Das Erzählte wurde so von Pfleger*innen erlebt und fasst zum Teil mehrere Erzählungen zusammen. Alle Namen in den Geschichten wurden von uns geändert. Hast Du auch etwas erlebt, was dringend mal in unserem Tagebuch Gehör finden muss? Dann schreib uns eine Mail an info(at)pflegenotstand-hamburg.de!

  • Ängry-Nurse_Folge-13