In der aktuellen Situation sollten wir als Stadtgesellschaft hinter den Pfleger*innen und Krankenhausbeschäftigten stehen. Ein dringender Appell an den Hamburger Senat und die Klinikbetreiber - unsere Erklärung anlässlich des Konfliktes zwischen Beschäftigten der Hamburger Kliniken und dem Asklepios-Konzern:
Hört auf die Beschäftigten!
Ein dringender Appell an den Hamburger Senat und die Klinikbetreiber
Das ganze Land schaut auf die Situation in den Krankenhäusern, besonders den Intensivstationen, wo Pfleger*innen und Ärzt*innen seit Monaten für uns alle einen Kampf gegen das Corona-Virus ausfechten. Der Inzidenzwert ist auf einem neuen Höchststand angelangt und die Zahl der Patient*innen auf den Intensivstationen nimmt zu. Beschäftigte der Hamburger Krankenhäuser haben sich nun Mitte Dezember in einer Pressekonferenz zu Wort gemeldet. Sie haben Missstände und Problemlagen angesprochen, mit denen sie tagtäglich in ihrer Arbeit konfrontiert sind, darunter:
- die extreme Personalnot und Unterbesetzung, die kein neues Phänomen ist (Stichwort „Pflegenotstand“ in Folge der Einführung der Fallpauschalen), die sich aber vor dem Hintergrund der Pandemie nun erneut zugespitzt hat;
- die uneinheitliche Testung der Beschäftigten in den Kliniken auf Covid-19, was weitere Ausbrüche auf den Stationen befördert;
- die unzureichende Ausstattung mit Schutzmaterialien, u.a. in Form nicht zertifizierter Masken, was Gesundheit von Personal und Patient*innen gefährdet;
- zusätzliche Reinigungsarbeiten, die seitens der Pflegekräfte durchgeführt werden müssen, da es zu wenig Reinigungspersonal gibt;
- die zum Teil extreme psychische Belastung, die aus der Kombination von Corona-Notstand, steigenden Todeszahlen, Personalmangel, hohem Stresslevel und eigenem Anspruch resultiert;
- weiterhin durchgeführte elektive Operationen, die trotz der angespannten Situation nicht verschoben werden, da sie den Kliniken Geld einbringen.
Mehrere Zeitungen und Nachrichtensendungen haben die geäußerte Kritik aufgegriffen und Pfleger*innen zu Wort kommen lassen. Anstatt die Kritik aufzunehmen, mit den Beschäftigten in den Dialog zu treten und über Verbesserungen nachzudenken, haben sowohl Asklepios als auch die Sozialbehörde die Vorwürfe pauschal zurückgewiesen und zum Teil einzelne Beschäftigte der Lüge bezichtigt.
Wir finden diese Reaktion empörend! In der aktuellen Situation sollten wir als Stadtgesellschaft hinter den Pfleger*innen und Krankenhausbeschäftigten stehen, die unter inakzeptablen Bedingungen und unter Inkaufnahme der Gefährdung ihrer eigenen Gesundheit alles dafür tun, möglichst viele Menschenleben zu retten.
Wir fordern deshalb den Senat, Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher, die zuständige Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard und die Klinikbetreiber auf, mit den Beschäftigten in einen Dialog zu treten, ihre Forderungen ernst zu nehmen, sie in Entscheidungen einzubeziehen und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus, 23.12.2020
Unterstützt von:
Rolf Becker (Schauspieler)
Leslie Franke und Herdolor Lorenz (Filmemacher*innen, u.a. "Der marktgerechte Patient")
Dietrich Gerstner (Zentrum für Mission und Ökumene - Nordkirche weltweit)
Michael Joho (Vorsitzender des Einwohnervereins St. Georg von 1987 e.V.)
Steffen Jörg (GWA St. Pauli e.V.)
Prof. Dr. Annita Kalpaka (Hochschule für Angewandte Wissenschaft)
Dr. Mathias Petersen (Hausarzt, SPD, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft)
Rocko Schamoni (Autor, Musiker)
Gerd Schreiert (Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde)
Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern
Altonaer Manifest - Initiativen Netzwerk für eine sozial gerechte Stadtentwicklung
Aufstehen gegen Rassismus Hamburg
DIE LINKE. Landesverband Hamburg
Hamburger Assistenzgenossenschaft (HAG)
Hamburger Bündnis gegen Rechts
Initiative Groß Sand bleibt!
Internationaler Jugendverein Hamburg
Interventionistische Linke Hamburg
Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der Nordkirche
Netzwerk Arbeitskämpfe Hamburg
Pflegestimme - Bündnis aller Pflegekräfte e.V.
Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää), Regionalgruppe Hamburg
XR - Extinction Rebellion, Ortsgruppe Hamburg-West
Um die Erklärung als Organisation, Bündnis, Initiative oder prominente Einzelperson zu unterzeichnen, schickt uns eine Mail an info(at)pflegenotstand-hamburg.de!
Weitere Stellungnahmen und Solidaritätserklärungen:
- Solidaritätserklärung der ver.di Vertrauensleute der Stadtreinigung Hamburg (Jan. 2021)
- Solidaritätserklärung der ver.di Vertrauensleute bei Lufthansa Technik Hamburg (31.12.2020)
- Stellungnahme des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää), Regionalgruppe Hamburg (24.12.2020)
- Video der Hamburger Krankenhausbewegung und Schreiben an den Ersten Bürgermeister (Nov. 2020)
Presseberichte zum Konflikt:
- Mopo: "Kündigung in Asklepios-Klinik: So äußert sich die Gesundheitsbehörde" (3.1.2021)
- Mopo: "Pflegerin bekommt Unterstützung – Senat soll eingreifen" (30.12.2020)
- Junge Welt: "Heldin gefeuert" (30.12.2020)
- NDR Hamburg Journal: "Asklepios will Krankenschwester nach Kritik entlassen" (29.12.2020)
- Mopo: "Wegen Interview im `Hamburg Journal´: AK St. Georg kündigt Pflegerin nach Kritik" (28.12.2020)
- Hamburger Abendblatt: "Nach Vorwürfen: Asklepios will Krankenschwester entlassen" (28.12.2020)
- Taz Nord: "Kündigung nach Kritik" (28.12.2020)
- Taz Nord "Streit bei Asklepios in Hamburg: Zwei Geschichten, eine Lüge" (22.12.2020)
- NDR Hamburg Journal "Personalnot auf Intensivstationen: Neue Kritik an Asklepios" (21.12.2020)
- Hamburg 1: "Mehr Personal für die Krankenhäuser gefordert" (21.12.2020)
- RTL Nord: "Hamburger Pfleger: So geht es wirklich während der Corona-Krise in Krankenhäusern zu" (21.12.2020)
- NDR Hamburg Journal "Corona: Debatte über Personal am AK St. Georg" (19.12.2020)
- Hamburg 1: "Krankenschwester über Lage in den Kliniken" (18.12.2020)
- Deutsches Ärzteblatt: Situation in den Kliniken: „Ich hätte mir diese Zustände nicht vorstellen können“ (18.12.2020)
- NDR Hamburg Journal "Hamburger Intensivstationen: Lage wird angespannter" (17.12.2020)
- Mopo: "Hamburger Krankenhaus-Personal am Corona-Limit" (17.12.2020)
- Hamburg 1: "Intensivstationen zu 90-95 Prozent ausgelastet" (17.12.2020)
- Süddeutsche Zeitung: "Hamburger Krankenhauspersonal klagt über enorme Belastung" (16.12.2020)
- Hamburger Abendblatt: "Hamburger Pflegekräfte klagen an: `Wir werden verheizt´" (16.12.2020)
- Taz Nord: "Tauglich oder nicht" (15.12.2020)