Im Anschluss an die Gründung eines Konzernbetriebsrates bei den ATOS Kliniken hatte der private Konzern der Betriebsrätin in der ATOS Klinik Fleetinsel, Anja C., gekündigt. In Solidarität mit ihr organisierten wir in der vergangenen Woche Proteste vor der Klinik und dem Arbeitsgericht. Dieses gab Anja am 19. März Recht!
Los ging es am Mittwoch, den 17. März, mit einer Kundgebung vor der ATOS Klinik Fleetinsel, zu der über 100 Menschen kamen und ihre Solidarität zum Ausdruck brachten. Sogar der Vorsitzende des Konzernbetriebsrates war extra aus Heidelberg angereist. Das Netzwerk Arbeitskämpfe hat ein kurzes Video von der Kundgebung produziert, in der der Kollege aus Heidelberg die Hintergründe des Kündigungsversuches schildert.
Das Vorgehen der ATOS Kliniken gegen Anja verweist auf Methoden aus dem Repertoire des sogenannten Union Busting, der aktiven Bekämpfung gewerkschaftlicher Betätigungen durch Unternehmen, die in Hamburg zuletzt auch die Friseurkette Klier angewandt hatte, nachdem Betriebsrät*innen einen Gesamtbetriebsrat gegründet hatten. Die mit abstrusen Vorwürfen - im Fall von Anja wie der Kolleg*innen bei Klier war es der Vorwurf des "Arbeitszeitbetruges", d.h. der falschen Abrechnung von Betriebsratszeiten - begründeten Kündigungen scheitern in der Regel vor dem Arbeitsgericht. Sie dienen aber dazu, die aktiven Kolleg*innen fertigzumachen und zu schikanieren - umso wichtiger, solche Praktiken in die Öffentlichkeit zu tragen, sich solidarisch zu zeigen und das Vorgehen der privaten Konzerne zu skandalisieren. Im Fall von Romana hatte Asklepios von sich aus die Kündigung zurückgezogen, was zeigt, wie wichtig öffentlicher Druck ist - und wie wirksam er sein kann.
Verantwortlich für das Vorgehen gegen Anja ist u.a. der CEO der ATOS Kliniken, Lars Timm. Dieser hatte zuvor als Regionalgeschäftsführer für den privaten AMEOS-Klinikkonzern gearbeitet, war dort im Januar 2020 aber freigestellt worden, nachdem er im Zuge einer Auseinandersetzung um einen Tarifvertrag die Krankenhausschließung ins Spiel gebracht hatte. Zuvor hatte er 14 Mitarbeiter*innen gekündigt, die sich an einem Warnstreik beteiligt hatten. Das zeigt noch einmal deutlich, dass unsere Gesundheit in den Händen privater Konzerne und "Manager" nichts verloren hat - die im Zweifel lieber auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verzichten, wenn ihre Profitraten durch Gehaltserhöhungen in Gefahr geraten.
Der Kündigungsversuch an Anja ist aber nicht nur im Kontext der Betriebsratsbekämpfung, des Union Busting, zu sehen, sondern auch im Kontext der aktuellen Pandemie-Situation und des Umgangs von Konzernen und Politik mit Pflegekräften und kritischen Krankenhaus-Beschäftigten. Der Fall von Anja ist nach dem gescheiterten Kündigungsversuch von Asklepios an Romana bereits der zweite Fall in Hamburg, bei dem ein privater Klinikbetreiber versucht, eine aktive Kollegin loszuwerden. Auch in anderen Städten häufen sich solche Fälle, u.a. beim Uniklinikum in Münster. Letztlich geht es bei diesen Auseinandersetzungen aber nicht nur darum, dass die Kolleg*innen nicht entlassen werden, sondern auch darum, dass sich endlich etwas an den Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern ändert - Entlastung durch feste Personalvorgaben, bessere Bezahlung, ein Ende des DRG-Systems! Die Beschäftigten brauchen dafür eine breite gesellschaftliche Unterstützung.
Am Freitag, den 19. März, war dann der Kammergerichtstermin im Streitfall Anja vs. ATOS Kliniken vor dem Arbeitsgericht. Auch hier waren knapp 70 Unterstützer*innen zu einer kurzen Kundgebung erschienen, bevor der Prozess startete. Am Mittag dann die gute Nachricht: Das Arbeitsgericht hat Anja Recht gegeben, die Kündigung ist damit unwirksam. Der Einsatz von Anja und vielen anderen für bessere Arbeitsbedingungen in den Kliniken wird weitergehen...
Presseberichte
Mopo: "Hamburger Pflegerin klagt gegen Rausschmiss" (19.3.2021)
Unsere Zeit: "Entlassung statt Entlastung" (19.3.2021)
Netzwerk Arbeitskämpfe: Video von der Kundgebung am 17. März
NDR Hamburg Journal (17.3.2021)
SAT.1 Regional: "Hamburger Bündnis protestiert gegen Kündigung von Betriebsrätin" (17.3.2021)
Lektüretipp
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat jüngst eine Broschüre zu "Union-Busting privater Gesundheits- und Pflegekonzerne und gewerkschaftlicher Gegenwehr" herausgegeben, die bei der Stiftung gratis bestellbar ist und auf die wir an dieser Stelle hinweisen möchten.
Weitere Infos zum Thema Union Busting finden sich auf den Seiten des DGB, der Aktion Arbeitsunrecht und dem Labournet.